Sich vom Boden lösen – Wenn Räder den Boden verlassen

Vor nicht allzu langer Zeit schrieb ich einen Artikel für das Magazin fiduz von der Arbeitsstelle Frühförderung Bayern. Das Leitthema war „Sich finden – sich lösen, verbunden sein – sich trennen“ zu finden im Heft no. 33, 17. Jahrgang 1/2014; ISSN  1619-2958 ; www.fiduz-infoblatt.de

Ich in einem wissenschaftlichen, medizinischen, erziehungsfragenbeantwortendem Magazin? Ja! Und ungeändert nun hier für euch:

Mein Leben erfuhr einen großen Umbruch, als ich vor ein paar Jahren im Krankenhaus aufwachte und mir der Arzt mitteilte, dass ich querschnittgelähmt bleiben werde. Ich wusste nicht wirklich was das bedeutete und so nahm ich an, dass es nichts schlimmeres geben könne.

Aber zum Glück wurden mir schnell die Möglichkeiten aufgezeigt. Nach einigen Rollstuhltrainingsstunden und Sporttherapien wusste ich, es geht eine Menge! Schnell lernte ich den Rollstuhl zu beherrschen und ich merkte, dass meine Selbstständigkeit und meine Freiheit damit unmittelbar zusammenhängt. Denn je mehr ich lernte, desto weniger brauchte ich Hilfe, desto seltener musste ich umkehren, weil eine Barriere im Weg war. Dieser Ansporn brachte mich dann auch in den Skatepark, denn hier fand ich eine Spielwiese für meine Räder. Hier konnte ich meine Grenzen kennen lernen und kontinuierlich verschieben.

Ich fand Spaß daran die unüberwindbar zumutenden Schrägen und Rampen zu fahren. Nicht nur das Adrenalin tat seines dazu, vor allem die Erfolgserlebnisse geben einem immer wieder Motivation. Dazu kommt, dass ich im Alltag immer weniger Barrieren vorfand, die mich wirklich aufhielten. Irgendwann entschied ich mich das auch mit anderen zu teilen. Zuerst mit Videos über YouTube, doch nach meiner USA Reise wollte ich es direkt an andere weiter geben.

In den USA nahm ich an einem Event mit dem Namen „They will skate again“ von der Organisation Life Rolls On teil. Hier wurde Kindern, Jugendlichen und Junggebliebenen Rollstuhlfahrern von Skateprofis das Fahren im Skatepark gezeigt. Danach gab es einen Contest, die WCMX (WheelchairMX) Weltmeisterschaft. Ich wurde Dritter, was ein unglaublich gutes Ergebnis war. Was mich aber noch mehr beeindruckte, war die Erfahrung mit Gleichgesinnten im Skatepark zu fahren. Natürlich fahre ich auch gern mit meinen Nichtbehinderten Freunden, welche auf Skateboards oder BMX unterwegs sind, aber hier lernte ich an zwei Tagen mehr, als in den zwei Jahren zuvor.

Ich wollte so etwas auch in Deutschland veranstalten und nahm die Idee mit über den großen Teich. Zurück in Deutschland fand die Idee durchaus schnell Anklang, aber vieles sprach gegen mein Anliegen. Denn wie sind Rollstuhlfahrer versichert wenn sie sich etwas tun im Skatepark? Viele hatten Angst davor, dass etwas passiert wofür sie haftbar gemacht werden können, aber auch davor, dass alte Stereotypen überholt werden müssen. Ich gab nicht auf und fand bald mit dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband einen Partner, der mich unterstützen sollte.

Wir veranstalten nun Workshops und Schnupperkurse für Rollstuhlfahrer in ganz Deutschland. Das Interesse ist groß und das Feedback durchweg positiv. Eltern bedanken sich, weil ihre Kinder diese Erfahrung sehr gut annehmen. Viele kommen wieder und einige finden hier sogar einen Sport, den man unabhängig von den wenigen Rollstuhlsportvereinen ausüben kann. Die Erfahrung, egal ob einmalig oder wiederholt, gibt den Kindern und Jugendlichen eine Menge – in vielerlei Hinsicht.

Zum einen ist die eigene Wertschätzung gestärkt, aber auch die Motivation den Rollstuhl noch besser zu beherrschen, sowie im Alltag selbständiger zu werden. Die Aktivität wird somit im hohen Maß gefördert und der Weg für ein selbstbestimmtes Leben bereitet.

Eltern, die sich Sorgen machen, ob das zu gefährlich sei, sollten sich unbedingt vor Augen halten, dass ein behindertes Kind die selben Entscheidungen treffen kann, wie ein nicht behindertes. Denn gerade jetzt, zu einem Zeitpunkt an dem die Inklusion an Schulen Einzug hält, sollte es möglich sein, mit seinen Schulfreunden die gleichen Hobbys zu teilen und das kann eben auch das skaten sein. /David

Foto: Andi Weiland

Foto: Andi Weiland

Foto: DRS/Wittmershaus

Foto: DRS/Wittmershaus

2 Kommentare

  1. Heiko Mertens sagt:

    Hi David. Ich kann dir immer wieder zustimmen. Hut ab, was du schon auf die Beine (Räder) gestellt hast. Ich hoffe das noch mehr (schnell) anfangen umzudenken und dieses „altmodische“ Denken an den Nagel hängen.

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